Elektronisches Publizieren im Internet ist heute in vielen Bereichen Realität geworden – bei der ‚grauen Literatur‘ vielleicht mehr noch als bei den Verlagen.
Immer häufiger erhält man z. B. bei Zeitschriften die Auskunft „erscheint nur noch online“. Dabei sind es keineswegs nur Mitteilungsblätter und Jahresberichte kleiner Vereine, die nicht mehr gedruckt werden – auch eine Institution wie beispielsweise das Statistische Landesamt Baden-Württemberg will wichtige Publikationen wie die ‚Statistischen Berichte‘ künftig ausschließlich im Internet anbieten.
Ebenso ist es bei der Arbeit in den bibliographischen Stellen (z. B. Landesbibliographie, Hölderlin-Bibliographie), Sonderabteilungen und Fachreferaten alltäglich geworden, auf einschlägige und inhaltlich substanzielle Online-Ressourcen zu stoßen, die man gerne festhalten und dauerhaft archivieren würde. Der praktische Umgang damit war bisher jedoch meist von einer gewissen Hilflosigkeit geprägt; die Materialien wurden – mit wenigen Ausnahmen – allenfalls in Linklisten aufgenommen oder gar auf Papier ausgedruckt. Gleichzeitig wuchs in den vergangenen Jahren die Einsicht, dass – trotz aller technischen Schwierigkeiten und der allgegenwärtigen Personalknappheit – der Sammel- und Archivierungsauftrag der regionalen Pflichtexemplarbibliotheken vor den Netzpublikationen nicht Halt machen dürfe.
Die beiden baden-württembergischen Landesbibliotheken in Karlsruhe und Stuttgart wollten sich der neuen Verantwortung offensiv stellen, wobei sich als natürlicher Kooperationspartner das Bibliotheksservice-Zentrum in Konstanz anbot. Im Oktober 2002 – kurz vor dem von Der Deutschen Bibliothek initiierten Workshop 'Langzeitverfügbarkeit elektronischer Dokumente' – wurde deshalb eine Vereinbarung zwischen der Badischen Landesbibliothek (BLB), der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) und dem Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ) geschlossen. Das Ziel war die gemeinsame Entwicklung einer technischen Plattform und eines Geschäftsgangs für die Erschließung und Speicherung relevanter Netzpublikationen.
Seit Herbst 2003 trägt das Projekt den Namen 'Baden-Württembergisches Online-Archiv' (BOA) und ist unter der URL www.boa-bw.de erreichbar. Die technische Entwicklung wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg mit einer Anschubfinanzierung gefördert; für die beteiligten Bibliotheken gibt es allerdings derzeit weder Sondermittel noch zusätzliches Personal.
Als Desiderat, weniger als wirklich beherrschbare Aufgabe wurde die langfristige Erhaltung und Benutzbarkeit elektronischer Ressourcen bislang betrachtet. Dies ändert sich schlagartig mit der Einladung zum Workshop „Langzeitverfügbarkeit elektronischer Dokumente“ durch die Deutsche Bibliothek und ihre Partner im Herbst 2002:
Für Langzeitarchivierung und –verfügbarkeit von elektronischen Ressourcen wird die Zeit als gekommen betrachtet, die Planung mittelfristig tragfähiger Konzepte und Lösungen anzupacken. Die Abschlusserklärung dieser Veranstaltung hält fest: „Die Teilnehmer des Workshops sehen großen Handlungsbedarf bei der Sicherung der Langzeitverfügbarkeit digitaler Objekte. Sie sind der Überzeugung, dass die sich dabei ergebenden Aufgaben als Gemeinschaftsaufgabe arbeitsteilig, kooperativ und ökonomisch gelöst werden müssen... Pluralität der eingesetzten Methoden und Verfahren und Redundanz der Speicherung sind erwünscht.“
Dieses Startzeichen, jetzt in einer gemeinsamen Anstrengung diese Aufgabe anzugehen, gibt auch in der Verbundregion des SWB Anlass zu gemeinsamen Überlegungen; zwei Gespräche zwischen den Direktionen von BLB Karlsruhe, BSZ Konstanz und WLB Stuttgart führen zum gemeinsamen Entschluss, Online-Publikationen in die Sammlungen der Landesbibliotheken sammelnd und archivierend einzubeziehen.
Ein Schreiben von Frau Mallmann-Biehler an Herrn Ehrle und Herrn Kowark hält fest: „In enger Kooperation von BLB, WLB und BSZ soll ein Depot- und Portalsystem aufgebaut werden, dessen Ziel die langfristige Archivierung und Verfügbarkeit von Online-Dokumenten ist. Dies geschieht in enger Kooperation mit dem Programm Der Deutschen Bibliothek zur Langzeitarchivierung.“ Im Herbst 2003 erklärt sich das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg bereit, mit einer Anschubfinanzierung die technische Entwicklung des Projekts zu fördern.